Wie alles begann

Hervorgehoben

Ich hatte im Herbst 2009 einen Knubbel am Knöchel bemerkt, den ich im Dezember dann meinem Orthopäden zeigte. Der machte ein Röntgenbild, Ultraschall und eine Tastuntersuchung und meinte, es handele sich um ein Überbein, dass ich mir „mal ausräumen lassen“ könnte , wäre aber nicht dringend.
Erster ärztlicher Fehler: er veranlasste kein MRT mit Kontrastmittel, obwohl dies kein Problem gewesen wäre.
Erster Fehler meinerseits: ich habe nicht darauf gedrängt, sondern ihm vertraut.

Oh je – zwei Jahre nichts geschrieben……

…. aber ich bin noch da, wollte ich mal sagen! Gerade las ich das Buch von Guido Westerwelle „Zwischen zwei Leben“, das er nach seiner erfolgreichen Knochenmarkstransplantation schrieb, um anderen Mut zu machen. Leider hat er es nicht geschafft. Mich erinnerte diese Lektüre daran, dass es akut Erkrankten, die auf meinen Blog stoßen, sicher wichtig ist zu wissen, ob ich es geschafft habe, gesund zu bleiben. Jedenfalls war dies für mich immer Motivation auf der Suche nach Texten von Betroffenen, solange ich noch in akuter Angst war.

Also: auch weiterhin bin ich frei von Rezidiven und Metastasen – 9 Jahre nach meinem Rezidiv und den Behandlungen – nicht ohne Einschränkungen in der Beweglichkeit  – aber es lässt sich damit leben. Ich bin Oma geworden – das ist so etwas, von dem man träumt als schöne Zukunft im Alter – und diese Zukunft war doch sehr in Frage gestellt damals. Umso mehr genieße ich jeden Moment mit dem Enkel! Und ich habe meine Arbeitszeit in den letzten zwei Jahren so weit reduziert, dass ich den Sommer mit allem, was ich liebe und mich glücklich macht, genießen konnte. Auch Guido Westerwelle erkannte in seiner Erkrankung, wieviel unsinnige Energie er in unsinnige Dinge gesteckt hatte. Das gilt es zu ändern und die Kraft für sich selbst einzusetzen!

Woran mich Guido Westerwelles Buch auch erinnerte: wie die Hilflosigkeit in einer akuten Krebserkrankung Unterschiede auslöscht, Privilegien fast nutzlos macht und Verbundenheit wachsen lässt mit Menschen, mit denen einen sonst nichts verbindet – wie z.B. auch mit Guido Westerwelle. Auch er entwickelte Demut in seiner Krankheit und musste Überheblichkeiten ablegen – ich habe fast niemanden unsympathischer gefunden unter bekannten Politikern als ihn und fühlte dennoch beim Lesen auch Verbundenheit und Mitleid.

Ich wünsche allen, die akut erkrankt sind, viel Kraft, Unterstützung durch Freunde und Familie und so engagierte Ärzte, wie ich sie im Sarkomzentrum in Essen finden durfte!

 

Sieben Jahre nach der Diagnose

Zum ersten Mal die Nachsorge erst nach einem Jahr. Dennoch hatte ich nicht wirklich Sorgen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte. Das Gefühl war richtig. Meine Radiologische Praxis ist mir richtig an’s Herz gewachsen! Was mich aufregt: Immer wieder habe ich Kontakte zu Patienten aus Hamburg, die genauso verzweifelt sind über Fehldiagnosen, über mangelnde Erfahrung und fehlende Bereitschaft, dies auch einzugestehen.  Unvollständige Aufklärung über Alternativen zur Amputation sind ebenfalls weiter an der Tagesordnung – und das in meiner Weltstadt, die Gesundheitsmetropole sein möchte. Sieben Jahre ohne Weiterentwicklung in der Versorgung von Patienten mit soliden Tumoren. Zum Heulen! Nicht mal meine guten Kontakte in die Politik konnten daran bisher etwas ändern!  Stattdessen darf eine Klinik großspurig behaupten, sie würde jetzt Sarkom-Zentrum! Ohne Zusammenarbeit mit anderen Zentren nachweisen zu können. Wenn das das Ergebnis von Wettbewerb im Gesundheitswesen ist – kein Fortschritt für Patienten offensichtlich!

Zum ersten Mal seit Jahren fahren wir auch nicht zur Sarkomtour nach Essen – aber verbunden fühlen wir uns immer noch mit diesem echten Sarkom-Zentrum. Hier nimmt man die Verantwortung ernst und hat die Patienten und ihre Lebensqualität im Blick! Viel Erfolg und Spaß allen Teilnehmern – hoffentlich kommen wieder viele Spenden zusammen! Wir sind auch aus der Ferne dabei!

Fünf Jahre! Sarkome besiegen wir nicht allein!

Nun habe ich die magischen fünf Jahre nach dem Rezidiv geschafft. Keine neuen Befunde seither. Die Statistik umgekrempelt, die 50:50 Chance war eine gute Chance für mich und ich habe sie genutzt! Habe mir nichts amputieren lassen, die Chemo ausgeschlagen und nur denen vertraut, die etwas von dieser seltenen Erkrankung verstehen.

Trotzdem oder gerade deshalb reisen wir zum sechsten Mal zur Sarkomtour nach Essen und freuen uns auf Ärzte und Ärztinnen, Patientinnen und Patienten. Die Mitarbeiterin aus der Anmeldung des Sarkomzentrums freut sich, mich zu sehen – wir fallen uns in die Arme vor Freude. Andere würden nicht glauben, dass man sich aus einer Tumor-Ambulanz kennt. Ich lerne Menschen kennen, die ihre Diagnose erst in diesem Jahr bekommen haben und froh sind, Menschen zu treffen, die wieder gesund geworden sind. Das war für mich auch so wichtig damals: nicht nur die Statistik anzuschauen, sondern lebende Beispiele aufrecht und fröhlich zu erleben. Daraus schöpft man erst den Mut, es mit dieser Krankheit aufzunehmen.

In diesem Jahr waren mehr als 100 Radler dabei und es wurden über 25.000 € Spenden für die Sarkomforschung gesammelt. Das ist natürlich mindestens genauso wichtig wie die persönlichen Kontakte!

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Reha: Kleiner Vergleich der sozialen Sicherung in Europa

Im letzten Jahr wurde mir auf meinen Antrag hin von der Beihilfestelle umgehend eine Reha-Maßnahme bewilligt. Da musste doch ein Haken sein!?! Ja, der fand sich auch gleich: die Private Krankenversicherung beteiligt sich nicht an den Kosten. Eine Reha diene der Erhaltung der Arbeitskraft und läge daher allein im Interesse des Dienstherrn, so die Argumentation. Ich hatte kurz überlegt, ob zu dem Preis dann nicht doch Ayurveda auf Sri Lanka oder sonstige Wellness-Angebote mehr in meinem Interesse wären – besann mich aber, fachlich das Beste zu wollen und bin nun bereits zwei Wochen in dieser Klinik, die sich auch „Europäisches Zentrum für Lymphologie“ nennt. Hier sind tatsächlich Patientinnen und Patienten aus vielen Ländern Europas, sodass ich in Gesprächen eine kleine, nicht repräsentative Erhebung zum Grad der sozialen Absicherung und der medizinischen Versorgung machen konnte. Mein Ergebnis: in den meisten Ländern ist es schwer, die richtige fachliche Behandlung zu bekommen und es waren selten die Ärzte, die auf diese Klinik und ihre fachliche Kompetenz hinwiesen. Die Beteiligung der jeweiligen Sozialversicherung des Landes an den Kosten wurde meistens verwehrt. Am besten haben es die gesetzlich Versicherten, die auf Kosten der Rentenversicherung hier sind – die meisten Sorgen über Kostenübernahme und fehlende Kostenzusagen machen sich die deutschen Privatversicherten,  wie ich. Aber die wenigsten Sorgen dieser Art haben die Patienten aus Luxemburg – dort gibt es die Einheitsversicherung und damit keinen Streit, wer nun zahlungspflichtig ist. Frage: sollten die sozialen Sicherungssysteme den Patienten nutzen oder den Versicherern? Soll die Sozialversicherung Sorgen machen oder Sorgen abnehmen?

Leitlinien zur Behandlung – liest die niemand?

Habe mich daran gewöhnt, alles selbst zu regeln – z.B. meine Nachsorgetermine. Nun steht wieder einer an und ich will noch mal nachlesen, wie denn die Empfehlung lautet, wenn ich im September das „Fünfjahresüberleben“ auch offiziell feiern darf. Ich gebe „Leitlinie Sarkome“
bei Google ein und lande sofort bei Onkopedia:

aktuelle Leitlinie aus Onkopedia

Wer also gerade versucht, seine Diagnose und seine Perspektiven zu begreifen, ist hier gut aufgehoben. Ich finde sie gut verständlich. Da lese ich: eine Amputation kommt nur in Frage, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die Leitlinie ist aus 2011 und trotzdem lese ich fast monatlich von neuen Verzweifelten, denen die Amputation als einzige Option dargestellt wurde! Wie unverantwortlich arbeiten Ärzte, die nicht nach dem Fachwissen suchen, das andere mühsam zusammengetragen und zur Verfügung gestellt haben?!? Wieviele Betroffene sind wohl seit 2011 trotzdem amputiert worden, weil sie sich nicht trauten, nach einer Zweitmeinung zu fragen?
Welches Glück ich doch hatte – na ja: meine Widerborstigkeit hat mir denn doch mal genützt…….;-)

Fünf Jahre nach der Diagnose

Ein magisches Datum liegt hinter mir: am letzten Sonntag war meine Diagnose fünf Jahre her und ich lebe ohne, dass mein Krebs zurückgekommen wäre oder Metastasen gebildet hätte! YEAH! Tschacka! Keine Selbstverständlichkeit, wie ich dann wieder nächsten Monat bei der Sarkomtour feststellen werde. In jedem Jahr fehlt jemand oder ist jemand da, der sichtbar nicht mehr so lange zu leben hat. Schwer auszuhalten – aber es ist die Realität, vor der man die Augen nicht verschließen darf: die 50:50-Statistik gilt bei Sarkomen noch immer und es wird Jahr für Jahr beim Treffen der Betroffenen deutlich. Nun denn, ich habe offensichtlich zur anderen Hälfte gehören dürfen und bin dankbar dafür! Sarkomtour in Essen August 2015

Ich bin dabei! Wer nicht da sein kann, kann vielleicht etwas spenden?

2014 – der Jahresrückblick

Die WordPress.com-Statistik-Elfen haben einen Jahresbericht 2014 für dieses Blog erstellt.

Hier ist ein Auszug:

Eine Cable Car in San Francisco fasst 60 Personen. Dieses Blog wurde in 2014 etwa 2.500 mal besucht. Eine Cable Car würde etwa 42 Fahrten benötigen um alle Besucher dieses Blogs zu transportieren.

Klicke hier um den vollständigen Bericht zu sehen.

Vier Jahre später

Nun habe ich schon vier Jahre mit hoher Lebensqualität für mich trotz der Diagnose. Manche der Beeinträchtigungen durch die Behandlungen werden immer noch besser – manche muss ich einfach akzeptieren. Dabei muss ich mir immer ins Gedächtnis zurückholen, dass ich beide Beine behalten habe! Die letzte Nachuntersuchung war wieder ohne neue Tumore oder Metastasen – welch ein Glück. Drei Menschen mit Sarkomerkrankungen, die ich im Lebenshaus kennen gelernt habe, sind schon gestorben. Das macht mir bewusst, wie dünn das Eis ist, auf dem ich mich mit dieser Diagnose befinde. Es reduziert sich ganz einfach auf das schlichte Motto: carpe Diem – nutze den Tag!

:-) 10 Jahre erfolgreiche Interessenvertretung für Patienten mit seltenen soliden Tumoren! Wirklich ein Grund zum Feiern!

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„Das Lebenshaus“ dankt diesen engagierten Ärzten. – und diese bedanken sich auch: weil nur mit dieser Patientenorganisation die Forderungen für bessere Behandlungsbedingungen auch politisch Kraft entwickeln können!
Ich danke auch!